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Station 10

Das Schmallenberger Bürgerrecht und Bürgerholz

Ein Vetrag, der ungewöhnliche Einkünfte sichert


In dem Rezess in der Theilungssache von Schmallenberg S. 388 heißt in der Einleitung:
„In Schmallenberg, einer Stadt im Kreise Meschede des Regierungsbezirks Arnsberg, hat eine Theilung und Nutzungsregulierung bezüglich der Gemeinheits-Grundstücke stattgefunden, über welche Auseinandersetzung zwischen

 

I.             der politischen Gemeinde Schmallenberg; vertreten durch den Official­Mandater Amtmann Röper daselbst,

II.            den beiden Elementarschulen daselbst, vertreten durch den Amtmann Röper als Official-Mandatar,

III.          und den im§ 7 unter Nr. 2 - 147 aufgeführten Besitzern der 151 Bürgerberechtigungen daselbst

IVa. dem Pfarrfond zu Schmallenberg, vertreten durch den Pfarrer Rohde daselbst

b - d Gastwirth Franz Bergenthal, Franz Anton Hengesbach und Clemens Störmann als Vertreter seiner Ehefrau Maria Franziska als eingetragene Besitzer der Parzelle VI Nr. 166 und 129 der nachstehende ,,Auseinandersetzungs-Rezess" abgeschlossen wird".

Vor diesem Auseinandersetzungs-Rezess bestanden Streitigkeiten über die Schmallenberger Gemeinheits-Grundstücke zwischen der politischen Gemeinde und den Besitzern der mit den älteren Sohlstätten daselbst verbundenen sogenannten „Bürgerberechtigungen", indem die letzteren nicht nur den größten Theil der im Besitz und in der Verwaltung der Gemeinde befindlichen und im Grundsteuer-Kataster wie im Hypothekenbuche auf deren Namen eingetragenen Grundstücke, namentlich der Waldungen, als ihr gemeinschaftliches Privat-Eigenthum in Anspruch nahmen, sondern ihre Ansprüche auch auf die seit 1842, besonders im Jahre 1854 von der Gemeinde veräußerten Parzellen ausdehnten, diese Veräußerungen als ungültig anfochten und die Theilung dieser gemeinschaftlichen Grundstücke bez. rücksichtlich der veräußerten wenigstens die Abtretung der aus den betreff enden Verträgen erworbenen Rechte von der Gemeinde verlangten. Eventl. beanspruchten sie an den Gemeinheits-Grundstücken umfassende Servitutberechtigungen zum Bezuge von Bau- und Geschirrholz, ihres Brennholz-Bedarfs durch Klafterholz, Raff- und Leseholz wie Erdstöcke, von Streulaub und Heidestreu, sowie die Weidegerechtsame mit allen Vieharten als Privat­Vermögen und Zubehör ihrer bürgerberechtigten Sohlstätte.

Außerdem wurde noch für die beiden Elementarschulen daselbst der Anspruch auf freien Bezug des Brennholz-Bedarfs erhoben. Die Gemeinde dagegen bestritt all diese Ansprüche und wollte die den alten Sohlstätten ­Besitzer als Bürger-Berechtigten etwa zustehenden Nutzungen nur als, aus der Gemeinde­mitgliedschaft fließende Gemeinderechte, als Gemeindemitglieder-Vermögen anerkennen.

Im Jahre 1842 vereinbarten die Stadt Schmallenberg und 151 Bürger aus dem alten Ortskern einen Rezeß über die künftige Nutzung der Buchenwälder die sich überwiegend an der Schmallenberger Höhe befanden. Aber auch Flächen im Lenninghof, Vor der Robbecke, Eickhagen und am Huckelberg waren davon betroffen.

Rezess, früher auch Receß = Rezeß geschrieben, kommt aus dem lateinischen recedere, das bedeutet auseinandergehen, zurückweichen, lat. auch recessus = Rücktritt. Der Rezess ist also ein rechtlicher Begriff für Auseinandersetzung oder Vergleich über strittige Verhältnisse. Er stellt auch (historisch) den Abschluss eines Vertrages dar.

Viele Bewohner aus dem Schmallenberger Umland, die im Lauf der Jahrhunderte in die besser geschützte Altstadt gezogen waren, hatten hier kleinere Waldparzellen. Die Besitzer nutzten nicht nur das Holz, sondern sie stachen auch die Heideböden ab und holten Laub als Einstreu für die Ställe. Der Wald diente außerdem als Hude, so dass die Tiere dem Waldboden und dem jungen Holz schadeten.

Die Übernahme der kleinen Waldflächen durch die Stadt hatte damals zum Ziel, den Waldbesitz vernünftiger bewirtschaften zu können und diente dem „Wohl des Waldes". Die Bürger wollten aber ihre Rechte zur Waldnutzung sichern. Herauskam, nach langen Verhandlungen, der Vertrag, der den Nachfahren der alten Schmallenberger bis heute jährlich ungewöhnliche Einkünfte beschert.

Sie erhielten das sogenannte „Bürgerrecht". Je Bürgerrecht erhalten diese zehn Raummeter dickes Buchenholz und zwei weitere Meter dünnere Stücke, Äste unter acht Zentimetern Dicke, die auch Knippen genannt werden.
Obwohl der alte Vertrag Schmallenberg belastet, hat es den Vorteil, dass die ,,Bürger den Wald als ihren Wald" ansehen. Die tiefe Verbindung der Menschen zu diesem wertvollen Naturgut ist höher zu bewerten, als die rein wirtschaftliche Betrachtung der Vertragsbestimmungen. Der Stadtförster ist dafür zuständig, dass der Bürgerwald sorgfältig bewirtschaftet wird und die Inhaber der Bürgerrechte Jahr für Jahr ihre Dividende aus dem Forst in Form des hochwertigen Buchen-Brennholzes bekommen.

 

Dieser Vertrag hat mit den steigenden Energiepreisen in den vergangenen Jahren wieder an größerer Bedeutung gewonnen. Davor war es durchaus üblich, dass sich die Bürger lieber Geld auszahlen ließen.

Seit die Brennholzpreise stiegen, nehmen die Bürger wieder das Holz ab. Ob sie es selbst nutzen oder weiterverkaufen, steht ihnen frei. Der Vertrag von 1842 gibt ihnen dieses Recht dazu. Die Stadt und die 151 Rechte-Inhaber verhandeln miteinander über die Deputierten der Bürger. In § 14 des Vertrages heißt es:

Gerechtsame der Bürgerberechtigten an Bau-und Brennholz

 

a)           Eichenbauholz. Abgebrannte Sohlstätten einmal 300 Kubikfuß (9,28 fm) Eichenholz unentgeltlich zum Wiederaufbau innerhalb 10 Jahren.

b)           Brennholz. Die Gemeinde hat nach ihrer eigenen Wahl jährlich entweder 3 Klafter Derbholz mit davon abfallenden Reisern oder mindestens 2 Klafter Derbholz und an Stelle der dritten Klafter 4 Klafter Reiserholz gegen Zahlung des Hauer- und Rückerlohnes für jede Bürgerberechtigung (insgesamt 151 Berechtigungen) abzugeben.

Die Berechtigung ist vererblich und veräußerlich, desgleichen an Gemeindemitglieder verpachtbar. Der Verkauf des Deputatholzes ist gestattet. Mit einem Hause dürfen nicht mehr als 2 Berechtigungen verbunden sein, sonst ruht die Ausübung. Von der Möglichkeit, ersatzweise Reiserholz zu liefern, ist 40 Jahren, bis 1959, kein Gebrauch gemacht worden. Man hat lieber die vollen 10 rm Brennerbholz und die anfallenden Reiserknüppel ( 2 rm) in Anspruch genommen.

Eine Ausnahme machten die Kriegs- und Nachkriegsjahre, wo die Lieferungen stark eingeschränkt wurden. Die Rechte auf Bauholz sind wohl bis auf einer Sohlstätte (V 15) erloschen. Der Eichen- und Buchen-Gechirrholzbezug gegen Taxe spielen heute keine Rolle mehr. Die Entnahme von Laubstreu, Lehm und Steinen ist eingeschlafen. Leseholz wird eigentlich nur noch von Übrigen Gemeindemitgliedern in ganz geringem Umfange geholt. Durch den Ankauf von Berechtigungen durch die Stadt ist bis zum Jahre 1959 die Zahl der Bürgerberechtigungen auf 127 zurückgegangen. Heute halten die Bürger noch 102 Rechte am Stadtwald auf der Basis eines Rezesses aus dem Jahre 1842.

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