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Haus Kajan in Kirchrarbach

 

Haus Kajan ist das älteste Haus im Schmallenberger Ortsteil Kirchrarbach. Es wurde 1785 von Zadick Heinemann gebaut. Heinemann war ein sogenannter Geleit-Jude: Weil jüdische Menschen aus antisemitischen Beweggründen keine vollen Bürgerrechte bekamen, brauchten sie eine besondere Erlaubnis, um sich an einem Ort niederzulassen. Der Kirchrarbacher Pastor schloss mit Heinemann trotz der Proteste einiger Anwohner einen Pachtvertrag über 40 Jahre. Auf einem freigewordenen Grundstück gegenüber dem Pastorat errichtete Heinemann daraufhin ein sauerlandtypisches Fachwerkhaus, das im Volksmund „Judenhaus“ genannt wurde.

In Schmallenberg werden Juden erstmals 1685 erwähnt. 1738 lebten hier zwei jüdische Familien. Weil sie keine Zunft-Handwerke ausüben durften, trieben Juden häufig Handel oder waren aufgrund ihrer religiösen Schlachtvorschriften Metzger, so wie der zweite Pächter des Hauses. Auch für das Trinkwasser gab es besondere Regeln: Jüdische Häuser benötigten einen eigenen Brunnen. Reste davon wurden Ende der 1970er Jahre in in einem schmalen Flur entdeckt.

In Westfalen gab es ab 1700 eine sogenannte Judenordnung. Danach brauchten Juden ein Mindestvermögen, um sich an einem Ort niederzulassen. Dazu mussten sie Extra-Steuern zahlen. Gegen Ende des 18. Jh. gab es Bestrebungen, die als altmodisch empfundenen Regel zu lockern, aber durch den politischen Umbruch nach der Französische Revolution kam es dazu nicht mehr.
Auf dem jüdischen Friedhof von Würzburg findet man bis heute den Grabstein von Julius Steinberg, der 1869 in Kirchrarbach geboren wurde.

 

Das Fachwerkhaus von 1785 ist 14 Meter hoch und hat eine Dachfläche von 375 qm. Eine Unterkonstruktion aus Eichenbalken deutet darauf hin, dass das Haus zur Bauzeit mit Schiefer gedeckt war. 1979 wurde der damals etwa 100 Jahre alte Belag durch Ziegel ersetzt. Das sonnenumrahmte sogenannte Eulenloch unter dem First entspricht dem Originalzustand. Die offenen Fächer darunter sind eichenvergittert und dienten der Belüftung. Das Fachwerk wurde vermutlich wenigstens teilweise auf den Bruchstein-Grundmauern eines Vorgängerbaus errichtet. Bis heute ist davon ein Gewölbekeller erhalten; auch die Brücke zum Haus stammt aus dieser Zeit. Die Bewohnerin vermutet, dass auch Teile der Erdgeschossdecke aus 80-90 cm breiten Lärchenbrettern von einem früheren Gebäude stammen. Das Fachwerk des linken Hausflügel wurde möglicherweise erst später errichtet. Die Balken sind aus kostengünstigerem Fichtenholz, während im Hauptflügel Eiche verbaut wurde.

In den Schatzungslisten Westfalens gab es Steuerlisten speziell für jüdische Menschen. 1777/78 werden in Schmallenberg-Kirchrarbach „Sadich Heyneman mit Knechten Aron und Seligman“ erwähnt; 1781 „Zadick“. Da Schreibweisen noch nicht festgelegt waren, können Sadich und Zadick dieselbe Person gewesen sein. Zadick Heinemann war der Erbauer des Hauses. Nach Ablauf von 40 Jahren Pachtzeit und einigen Vertragsstreitigkeiten übernahm Alexander „Zander“ Steinberg aus der Gegend von Frankfurt 1860 Haus und Gelände. Er war Händler und Schlachter zugleich.  Sein Sohn Heinemann Steinberg löste die Pacht ab und übernahm das Haus komplett, samt Grundbucheintrag. Enkel Isaak Steinberg verkaufte 1895 alles für 12.750 Mark an den Lehrer, Küster und Organisten Josef Heinemann, dessen Nachfahren bis 1978 in dem Haus wohnten. Seitdem gehört es der Lehrerin Annemarie Kajan, die das Gebäude zeitgemäß instand setzte und lange auch Ferienwohnungen vermietete.

Pax intrantibus, salus exeuntibus, anno domine 1788 – Friede den Eintretenden, Heil den Hinausgehenden, im Jahre des Herrn 1788

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Als die Kirche das Grundstück an Zadick Heinemann verpachtete, musste der einmalig 120 Reichstaler und jährlich 4 Reichstaler zahlen. Nach Ablauf der 40jährigen Pachtzeit sollte er die 120 Taler zurückerhalten und dazu den Wert des Hauses – sofern er es nicht mitnehmen wollte. (Das war damals durchaus üblich.) Nun forderte der Pastor 1825 das Grundstück zurück, wollte aber die 120 Taler nicht erstatten, da darüber die Dokumente fehlten. Allerdings war das Pfarrhaus 1795 samt Archiv abgebrannt. Heinemann sollte nachweisen, dass das Geld geflossen war. Gemunkelt wurde, ein Pfarrer habe es in die eigene Tasche gesteckt.  Das königliche Landratsamt wies an, das Grundstück weiter zu verpachten – trotz der verschwundenen, 120 Taler. Zadick Heinemann bekam sein Geld nicht zurück. Und noch der übernächste jüdische Pächter, der das Haus schließlich kaufte, musste den Verzicht auf die 120 Taler erklären, die so geheimnisvoll verschwunden waren.

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